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Pilotstudie: Ansprache migrantischer Communities

Wie erreicht man Menschen mit Migrationshintergrund und begeistert sie für soziale Berufe?
17.07.2024

Ein Schlüssel zur Bekämpfung der Pflegekrise? Ergebnisse aus einer Pilotstudie

Wie gelingt es, Menschen mit Migrationshintergrund für eine Arbeit in einem sozialen Beruf zu begeistern? Welche Strategien und Maßnahmen sind notwendig, um insbesondere Personen ohne gute Deutschkenntnisse zu erreichen und für die eigene Organisation zu gewinnen? Eine entscheidende Rolle spielt dabei eine zielgruppengerechte Ansprache sowie die Bewerbung von Stellenanzeigen über Soziale Medien als Gatekeeper. Eine Pilotstudie von Prof. Jasper Tjaden in Kooperation mit der Fürst Donnersmarck-Stiftung zu Berlin lässt erste Rückschlüsse auf diese Frage zu.

Bekämpfung des Fachkräftemangels als kritischer Erfolgsfaktor

Der Arbeits- und Fachkräftemangel ist seit einigen Jahren in der Sozialwirtschaft angekommen. Schon heute müssen zahlreiche soziale Organisationen aufgrund von Personalmangel ihre Leistungen einschränken oder ganz aufgeben. Vor dem Hintergrund der aktuellen demografischen Entwicklung scheint es zunehmend schwieriger, das hohe Niveau des sozialen Sicherungssystems in Deutschland dauerhaft aufrecht zu erhalten. Die Gewinnung neuer Bevölkerungsschichten für soziale Berufe ist daher eine zentrale Aufgabe, um die Leistungsfähigkeit der sozialen Systeme nachhaltig zu sichern. Ein bisher noch nicht vollständig ausgeschöpftes Arbeitskräftepotential bilden dabei Menschen mit Migrationshintergrund.

Doch wie erreichen Unternehmen mit ihren Stellenangeboten am besten diese Bevölkerungsgruppen? Welche Strategien und Kanäle sind dafür geeignet, sie anzusprechen und für die Arbeit in der Sozialwirtschaft zu begeistern? Und welche Rolle spielt Sprache bei der zielgerichteten Adressierung von Menschen mit Migrationshintergrund? Dieser und anderen Fragen geht eine Pilotstudie nach, die aus einer Kooperation der Fürst Donnersmarck-Stiftung mit Dr. Jasper Tjaden, Professor für angewandte Sozialforschung und Public Policy an der Universität Potsdam, hervorgegangen ist. Die Studie ist gerade in der Zeitschrift „BMC Human Resources for Health“ erschienen.

Hohe Responsivität in den Sozialen Medien

Die Studie vergleicht die Responsivität von ukrainisch- bzw. arabischsprachigen Personen auf Stellenausschreibungen in der eigenen Muttersprache mit der Responsivität auf eine inhaltlich identische Ausschreibung in deutscher Sprache sowie einer deutschen Kontrollgruppe. Ausgeschrieben war eine Stelle als Pflegfachkraft bei der Fürst Donnersmarck-Stiftung, die als Werbung bei Facebook und Instagram ausgespielt worden ist.

„Die Ergebnisse zeigen, dass arabischsprachige Ausschreibungen mehr als fünf mal so effektiv sind wie Ausschreibungen auf deutscher Sprache. Zusätzlich sehen wir, dass die Ansprache der arabischen Community 10 mal günstiger als die Ansprache der deutschen Community auf Facebook ist“, fasst Prof. Jasper Tjaden die Kernergebnisse der Studie zusammen. „Das weist auf das Interesse und Arbeitskräftepotential in dieser Bevölkerungsgruppe hin, die im allgemeinen Diskurs häufig in Abrede gestellt wird“, erklärt er weiter.

Einrichtungen müssen ihre Hausaufgaben machen

„Wir waren selbst überrascht von den vielen Reaktionen auf unsere Werbeanzeige“, sagt Miriam Seuthe, Leitung Stabsstelle Recruiting und Personalentwicklung der Fürst Donnersmarck-Stiftung. „Eine so große Resonanz hatten wir bisher auf keine andere Anzeige für eine vergleichbare Stelle. Die Ergebnisse der Studie machen uns zuversichtlich, dass Menschen mit Migrationshintergrund durchaus interessiert an einem Job in der Sozialwirtschaft sind.“

Allerdings zeigt die Studie auch, dass die Organisationen der Sozialwirtschaft noch ihre Hausaufgaben machen müssen, um Menschen ohne gute Deutschkenntnisse die Arbeitsaufnahme zu erleichtern. „Wir mussten auch feststellen, dass wir aktuell noch nicht die Infrastruktur haben, um Personen an uns zu binden, die über keine guten Deutschkenntnisse verfügen und sich erst in die Sozialwirtschaft einfinden müssen. Hier fehlt es uns noch an guten Onboarding-Konzepten,“ räumt Dr. Sebastian Weinert ein, der die sozialen Einrichtungen der Fürst Donnersmarck-Stiftung leitet. „Wenn wir diese Hausaufgaben jedoch gemacht haben, glaube ich fest daran, dass es uns gelingen kann, Menschen mit Migrationshintergrund als motivierte und qualifizierte Mitarbeitende für die Sozialwirtschaft zu gewinnen.“

Hinweise für vertiefte Beschäftigungen

Aufgrund des Pilotcharakters der Studie sind ihre Ergebnisse nicht vollständig verallgemeinerbar. Sie weisen aber auf bestimmte Aspekte hin, die es im Hinblick auf den Fachkräftemangel in der Sozialwirtschaft zu beachten gilt. Erstens unterstreicht sie die Bedeutung einer zielgruppengerechten und sprachlich angepassten Ansprache der potentiellen Arbeitskräfte. Zweitens zeigt sie die zentrale Stellung der Sozialen Medien als Plattform, um bestimmte Bevölkerungskreise zu erreichen. Drittens weist sie darauf hin, dass es innerhalb der Gruppe der Menschen mit Migrationshintergrund eine signifikante Anzahl arbeitswilliger Personen gibt, deren Integration in die eigene Organisation gleichwohl mit erhöhten Aufwänden verbunden ist. Dies verweist viertens darauf, dass auch die Organisationen der Sozialwirtschaft ihre Strukturen und Prozesse anpassen müssen, um Menschen mit Migrationshintergrund den Einstieg bei ihnen zu ermöglichen.

Die Studie ist online verfügbar

Die vollständige Studie ist als Open Access in der Zeitschrift „Human Resources for Health“ erschienen und unter diesem Link einsehbar:

Hier kommen Sie zur Studie

Über die Organisatoren der Studie

Dr. Jasper Tjaden ist Professor für angewandte Sozialforschung und Public Policy an der Universität Potsdam. Seine Forschungsschwerpunkte sind Migrations- und Integrationsforschung, sowie quantitative Forschungsdesigns. Weitere Informationen unter https://www.uni-potsdam.de/de/socrespolicy/lehrstuhl/prof-dr-jasper-tjaden.

Die Fürst Donnersmarck-Stiftung zu Berlin setzt sich seit ihrer Gründung im Jahr 1916 für die Teilhabe und Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderung ein. Dafür betreibt sie in Berlin und darüber hinaus zahlreiche Angebote für Menschen mit Behinderung vom spezialisierten Rehabilitationszentrum über zahlreiche dezentrale Wohnangebote und einen Pflegedienst bis hin zu zwei vollständig barrierefreien Hotels in Rheinsberg und Bad Bevensen. Weitere Informationen unter www.fdst.de.

Pressekontakt

Fürst Donnersmarck-Stiftung zu Berlin, Ursula Rebenstorf und Nico Stockheim, Dalandweg 19 | 12167 Berlin, T.: 030.769 700- 17 oder -58 | presse@fdst.de